Hans
LIEBERMANN

1903 - 1941 I
Obere Laube 64
Stolperstein verlegt am 14.07.2010
Hans LIEBERMANN Obere Laube 64

In der hessischen „Euthanasie“-Mordanstalt Hadamar vergast

Während es über den gehörlosen Porträt- und Landschaftsmaler Richard Liebermann (1900–1966) viele Veröffentlichungen gibt, ist über das Leben seines jüngeren Bruders Hans nur sehr wenig bekannt.

Er kam am 24. Februar 1903 als viertes Kind von Hedwig Liebermann (geb. Wieler) und Heinrich Liebermann in Neu-Ulm zur Welt. Die Familie gehörte der Jüdischen Gemeinde der Stadt an. Hans soll von klein auf ein kränkliches und etwas lethargisches Kind gewesen sein. Er absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, konnte aber zu Beginn der 1930er Jahre keine Anstellung mehr finden. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten war dann auch der Vater, ein vorher erfolgreicher Hopfenhändler, der nun nur noch mit anderen Juden Geschäfte machen durfte, seiner Einkommensmöglichkeiten beraubt. Deshalb entschloss sich die Familie, nach Konstanz zu ziehen. Hier lebte Hedwigs weitverzweigte Familie.


Jahrelang bemühte sich die Familie verzweifelt darum, ausreisen zu können, hatte damit aber keinen Erfolg. Nachdem Mitglieder der Radolfzeller SS-Standarte „Germania“ in der Nacht zum 10. November 1938 die Synagoge in Konstanz zerstört hatten, wurden Hans und Richard Liebermann, wie viele andere Konstanzer Juden auch, in „Schutzhaft“ genommen und in das KZ Dachau verschleppt. Mitte Dezember 1938 kehrten beide völlig ausgezehrt nach Konstanz zurück.


Am 1. April 1940 wurde Hans Liebermann wegen einer Psychose in die Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz aufgenommen. Damit geriet er sofort in die Mühlen des Konstanzer Erbgesundheitsgerichts: Am 20. August 1940 erfolgte seine Zwangssterilisation im Städtischen Krankenhaus.

Nunmehr offiziell „geheilt“ (so der ärztliche Bericht), konnte er am 28. Dezember 1940 die Anstalt verlassen. Hans Liebermann kam, wie auch seine Mutter Hedwig, nun im jüdischen Altersheim in der Sigismundstraße unter.
Während seines Anstaltsaufenthalts waren am 22. Oktober 1940 insgesamt 112 jüdische Menschen – darunter sein Vater, seine Brüder Richard und Paul sowie seine Schwester Gertrud – in das in Südfrankreich gelegene Internierungslager Gurs deportiert worden.


Beiden war zwar die Deportation nach Gurs erspart geblieben, doch ereilte sie nun ein anderes Schicksal:
Auf Basis des von Ministerialrat Ludwig Sprauer unterzeichneten Geheimerlasses Nr. IVg 7628/-40/5106 des badischen Innenministeriums vom 10. Januar 1941 („betrifft: Verlegung geisteskranker Juden“) sollten nun die letzten in den Heilanstalten noch verbliebenen Jüdinnen und Juden deportiert werden. Kurz bevor dieser Spezialtransport aus der Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz mit vier Anstaltsinsassen den Ort verließ, gab Sprauer dem Landrat noch die Anweisung, sofort sämtliche Krankenhäuser und Altersheime des Landkreises nach „geisteskranken“ Jüdinnen und Juden abzusuchen.

So wurden Hans und Hedwig Liebermann am Morgen des 1. Februar 1941 in der Sigismundstraße von der Kriminalpolizei abgeholt und in den Zug gesetzt, der sie zunächst in das Sammellager Heppenheim brachte. Der Landrat wusste auch gleich, wie die Bezahlung der Fahrkarten vor sich gehen sollte: „Den beiden L.’s sind vorher die Fahrkarten nach Heppenheim evtl. aus Mitteln der Beiden zu beschaffen.“ (zitiert nach Faulstich 1993)


Am 4. Februar 1941 wurden Hans und seine Mutter von Heppenheim in die hessische Mordanstalt Hadamar verschleppt und dort am selben Tag vergast.



Hinweis: Der im Jahr 2010 verlegte Stolperstein mit dem verkehrten Todesort Lublin wird im Rahmen der nächsten Steinverlegung ersetzt.

Recherche: Raffael Wieler / Sabine Bade
Patenschaft: Mirjam Wiehn

Quellen & Literatur:

Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen - Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024 (hier verfügbar);
Bundesarchiv: Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945: Hans Liebermann;
Faulstich, Heinz: Von der Irrenfürsorge zur „Euthanasie“. Geschichte der badischen Psychiatrie bis 1945, Freiburg 1993, S. 256–260;
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg B132/1 Nr. 264;
Wieler-Bloch, Raffael: Richard Liebermann. Der gehörlose Porträt- und Landschaftsmaler 1900–1966, Konstanz 2010
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Familienmitglieder

Hedwig
LIEBERMANN, geb. WIELER

1875 - 1941 I
Obere Laube 64

Heinrich
LIEBERMANN

1866 - 1942 I
Obere Laube 64

Paul
LIEBERMANN

1899 - 1958 I
Obere Laube 64

Richard
LIEBERMANN

1900 - 1966 I
Obere Laube 64

Gertrud
LIEBERMANN

1902 - 1995 I
Obere Laube 64

Hans
LIEBERMANN

1903 - 1941 I
Obere Laube 64