Manya
GOLDLUST, geb. BIDERMANN

1894 - 1942 I
Rheingutstraße 1
Stolperstein verlegt am 22.05.2009
Manya GOLDLUST, geb. BIDERMANN Rheingutstraße 1

Überlebenskampf und Deportation: Die Geschichte von Manya Goldlust

Manja/Manya*) Goldlust (24. März 1894, als Manja Bider­mann) und ihr Mann, Bernhard Goldlust – beide geboren in Lopuszno, einer polnischen Kleinstadt unweit von Kielce – lebten bereits seit 1920/21 in Konstanz. In Konstanz hatten sie eine neue Heimat gefunden, und hier wurden auch ihre Kinder Leo (7. Oktober 1924) und Paula (30. Januar 1928), sowie der kleine Siegfried, der noch als Säugling starb (*4. Mai 33 – 11. November 1933), geboren.

Im März 1933 zog die Familie in die Rheingutstr. 1 (das Eckhaus, in dem früher die Gaststätte „Zum Bauhof“ ihren Sitz hatte; heute befindet sich an dieser Stelle ein Bau aus den 60er Jahren). Bereits in den ersten Wochen nach der Machtergreifung kam es auch in Konstanz zu Entlassungen und immer wieder zu brutalen Überfällen von Nazi-Trupps auf ihre jüdischen Mitbürger. Dennoch wurde die Wohnung in der Rheingutstrasse 1 der Familie zur eigentlichen Heimat, hier fühlten sie sich die nächsten Jahre noch relativ sicher, bis die zunehmende Ausgrenzung, Unter­drückung und die Anfeindungen der Juden in der Reichspogromnacht und der Sprengung der Konstan­zer Synagoge am Morgen des 10. November 1938 einen vorläufigen traurigen Höhepunkt fanden. Danach änderte sich das Leben für die Konstanzer Juden radikal. Bernhard Goldlust wurde noch am gleichen Morgen mit allen anderen jüdischen Männern von der Gestapo verhaftet und in das Konzentra­tions­­lager Dachau verschleppt.

Nach der Reichspogromnacht wurde allen jüdischen Kindern, so auch dem damals 14jährigen Leo und der 10jährigen Paula, der Schulbesuch von einem auf den anderen Tag untersagt. Familie Goldlust bemühte sich, wie viele befreundete jüdische Familien auch, nun immer intensiver um eine Möglichkeit, Deutschland noch zu verlassen. Sie hatten u.a. auch Verwandte in Amerika, die sich um ihre Einwan­derungsvisa bemühten, da für Familie Goldlust aber die polnische Quote galt, lagen die Wartezeiten bei über 10 Jahren.

Manya und ihre beiden Kinder mussten aufgrund der neuen antijüdischen Gesetze („Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“ vom 30. April 1939, RGBI 1939 I, 864) zunächst in die Rosgartenstr. 12 ziehen (ab 22. Juni 39, als Untermieter bei Halpern) und wurden Ende Juli genötigt, in die Bruderturmgasse 8 zu ziehen, wo sie sich mit anderen jüdischen Mitbürgern wenige Zimmer teilen mussten.Manya Goldlust war in dieser Zeit gesundheit­lich sehr angeschlagen und hatte auch mit einem ärztlichen Attest um Aufschub des kurzfristig ange­wiesenen Umzugs gebeten, doch darauf wurde keiner­lei Rücksicht genommen.

Am 22. Oktober 1940 wurde Manya Goldlust mit ihrem damals gerade 16jährigen Sohn Leo und ihrer 12jährigen Tochter Paula – gemeinsam mit 108 jüdischen Mitbürgern aus Konstanz und insgesamt 6.538 badischen und saarpfälzischen Juden – in das südwestfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Die Lebensbedingungen in dem Lager am Fuss der Pyrenäen waren katastrophal.
 
Während Leo in die Männerbaracke musste, konnte Paula anfangs noch bei ihrer Mutter bleiben. Manya kümmerte sich aufopferungsvoll um ihre Kinder und mühte sich, diese mit den wenigen zu erhaltenden Lebensmitteln durchzu­beko­men. Lebensnotwendig waren die Pakete, die die Kreuzlinger jüdische Gemeinde bereits nach wenigen Wochen an hilfs­bedürftige Personen der ehemaligen Konstanz-Kreuzlinger Gemeinde schickte, wenngleich sie die Not nur wenig lindern konnten. Auch Manya Goldlust und ihre Kinder erhielten in unregelmässigen Abständen solche Hilfsgüter, wie aus erhaltenen Dankesbriefen ersichtlich ist. Hieraus ist auch zu entnehmen, wie schwierig es für Manya war, ihren heranwachsenden Kindern wenigstens Lebensmittel und Kleidung für den Grundbedarf zu verschaffen.
 
Hinzu kamen ansteckende Krankheiten und Epidemien, die sich bei der Mangelernährung und den kata­strophalen hygienischen Bedingungen im Lager rasant ausbreiteten. Auch Paula war wohl in den ersten Monaten schwer erkrankt, konnte jedoch auch dank der Schweizer Hilfe wieder genesen. Waren anfangs die Konstanzer Juden noch gemeinsam untergebracht und konnten sich gegenseitig unter­stützen, wurde die Gruppe im Laufe der Monate immer mehr auseinander gerissen.
 
Wahrscheinlich Ende Februar 1941 kamen Familien mit Kindern, so auch Familie Goldlust, ins Lager Rivesaltes, einem weiter östlich gelegenen neu errichteten Lager nahe Perpignan. Auch hier waren die Lebensbedingungen katastrophal, die Ernährung und die hygienischen Bedingungen völlig unzureichend und das Lager überfüllt. Glücklicherweise erhielt Familie Goldlust auch hier Hilfspakete, die lebensnotwendig waren.
 
Manyas Sohn Leo kümmert sich intensiv um seine Mutter, die in der Zwischenzeit auch sehr krank war. Mit ihr im Lager sind auch Renée Stein und Lore Hirsch aus Konstanz.
 
Manya Goldlust wird am 11. August 1942 von Rivesaltes nach Drancy transportiert.
 
Mit dem 19. Transport wird sie am 14. August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert. Der Zug erreicht Auschwitz am 16.August 1942. Noch am Ankunftstag werden alle Frauen und Kinder des Transportes, sowie fast alle Männer direkt in das Gas geschickt.
 
Manya Goldlust wird am 16.August 1942, 48jährig, grausam ermordet.
 
Mit ihr im gleichen Transport findet auch Laura Ferber (geboren 04. April 1881) aus Konstanz den Tod.
 
*)Anmerkung zur Schreibweise des Vornamens:
Die Schreibweise „Manya“ ist die von ihrer Tochter, Paula Goldlust, überlieferte Form.
(„Manya“ ergibt im US-Englischen am ehesten die korrekte Aussprache).
 
Die amtliche (deutsche) Schreibweise ist „Manja“
(so. z.B. auf der betreffenden Einwohnermeldekarte im Stadtarchiv Konstanz)

Recherche: Petra Quintini
Patenschaft: Petra Quintini

Quellen & Literatur:

n/a
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Familienmitglieder

Bernhard
GOLDLUST

1896 - 1943 I
Rheingutstraße 1

Leo
GOLDLUST

1924 - 2002 I
Rheingutstraße 1

Paula
GOLDLUST

1928 - 2018 I
Rheingutstraße 1