Ricka Wolf wurde am 11. Juni 1870 als Tochter des Kaufmanns Samuel Sigmund Stern und seiner Frau Fanny, geb. Weil, in Buchau am Federsee geboren.
Es finden sich unterschiedliche Schreibweisen ihres Vornamens, in offiziellen Dokumenten meist Rika, während sie selbst mit Ricka unterschrieb; diese Schreibweise wird deshalb hier übernommen.
Ricka war das dritte von 16 Kindern. Die Geschwister Stern hießen Julie, Anna, Ricka, Alfred, Isidor, Julius, Rosa, Wilhelm, Auguste, Martin, Lina, Mina, Hermann, Elsa, Martha und Frida.
Die Eltern Stern sowie die Schwester Auguste sind auf dem Jüdischen Friedhof in Buchau beerdigt.
Ricka Stern zog mit ihrer Familie nach Wangen im Allgäu. Dort heiratete sie am 25. Mai 1904 Ludwig Wolf. Nach der Heirat wohnte das Ehepaar in Konstanz in der Rosgartenstraße 8, wo sich auch das Damenkonfektionsgeschäft „Spiegel & Wolf“ befand.
Zehn Jahre später heiratete ihre Schwester Mina in Konstanz den Textilkaufmann Erwin Jung. Die beiden wohnten dann in Wangen, wo sie das Geschäft der verstorbenen Brauteltern weiterführten, bis sie 1938 wieder in Erwins Heimat Konstanz zogen.
Ricka Wolf bekam vier Kinder: Am 17.8.1904 wurden die Zwillinge Walter und Kurt in Konstanz geboren.
Der eine Viertelstunde ältere Walter starb 1911 im Alter von nur 6 Jahren, sein Zwillingsbruder Kurt stieg später ins Geschäft ein und wurde Mitinhaber. 1905 kam Tochter Fanny zur Welt, im Jahr 1912 folgte Sohn Sigmund.
1907 erbaute der Architekt Hans Dahme das prächtige Haus Rosgartenstraße Nummer 16, in das die Familie dann umzog. Im Erdgeschoss und ersten Stock befanden sich nun die Verkaufsräume des Damenkonfektionsgeschäfts „Spiegel & Wolf“, die Familie Wolf wohnte in der 2. Etage. Möglicherweise arbeitete Ricka Wolf wie ihre unverheiratete Schwägerin Hortensia auch mit im Geschäft.
In den 1930er Jahren wurde die Situation der jüdischen Geschäftsleute in Deutschland immer schwieriger. Im Sommer 1938 kam es zu Ausschreitungen in Konstanz, bei denen die Schaufenster von „Spiegel & Wolf“ mit antisemitischen Parolen beschmiert wurden. Nach der Pogromnacht musste das Geschäft zwangsweise schließen. Es wurde mit dem gesamten Warenlager und der Geschäftseinrichtung von Maria Keller übernommen. Bei der dreitägigen Inventuraufnahme im Dezember 1938 war Ricka Wolf anwesend und sah in den Geschäftsbüchern die Einkaufspreise für jedes einzelne Bekleidungsstück nach, wie der Kaufmann August Haug berichtete.
Die Eheleute Wolf planten in dieser schwierigen Lage die Emigration in die USA, wo ihre Kinder inzwischen wohnten, und beantragten deshalb Reisepässe. Die wertvolle Wohnungseinrichtung von 5 Zimmern und den Großteil des Hausrats schickten sie in einem sogenannten „Lift“ (Frachtcontainer aus Holz) in die USA, der dort jedoch nie ankam. In Konstanz behielten sie nur das Notwendigste zurück. Laut Maria Keller soll der Hausrat den Bombardierungen in Rotterdam zum Opfer gefallen sein. Später stellte sich jedoch heraus, dass er nach Hamburg gelangt war und schließlich von dort in die Schweiz geschickt wurde, wo er versteigert wurde.
Tochter Fanny, die den Notar Alfred Rothschild geheiratet hatte, gab 1960 Auskunft über die verlorene Wohnungseinrichtung ihrer Eltern, zu der unter anderem ein handgeschnitzter Bücherschrank, Ledersessel und ein Ledersofa, eine Standuhr, Ölgemälde, Perserteppiche, antike Lampen, handgeschnitzte Elfenbeinfiguren, ein 12teiliges Rosenthal-Service, Silberbesteck und eine silberne elektrische Kaffeemaschine zählten. [STAF F 166/3 Nr. 3124/01]
Maria Keller berichtet außerdem, dass Ricka Wolf ihren Ehemann drängte, zu emigrieren, während er noch zögerte. Das wurde beiden zum Verhängnis.
Die 70-Jährige Ricka Wolf wurde am 22. Oktober 1940 zusammen mit ihrem Mann und 110 anderen Juden aus Konstanz nach in Südfrankreich deportiert. Maria Keller hat die Szene beobachtet. Sie sagte später: „Ich sehe Frau Wolf noch, wie sie schnell in das Auto einsteigen mußte und bitterlich weinte. Dies ging mir sehr nahe.“ [STAF F 166/3 Nr. 3124/01]
Aufgrund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse im Lager starb Ricka Wolf keine 3 Wochen später an einer Durchfallerkrankung, vermutlich der Ruhr. Hugo Schriesheimer, ein anderer Konstanzer, der ebenfalls in Gurs war, erinnert sich:
„Die meisten Menschen magerten ab, viele bekamen Dysenterie und starben, da es fast keine Medikamente gab. Täglich starben vier bis sechs Menschen, manchmal auch mehr, besonders im ersten Winter, den viele ältere Menschen nicht überstehen konnten. Sie starben an Grippeanfällen und schweren Durchfallerkrankungen; die Leiden der Herzkranken verschlimmerten sich, besonders bei den Älteren …“ [Hugo Schriesheimer in Roy Wiehn: Camp de Gurs S. 136/137]
Als Rickas Todestag gilt der 11. November 1940, so lautet der offizielle Standesamtseintrag. Es könnte jedoch auch der 10. November gewesen sein, der im Sterberegister des Lagers vermerkt ist.
Ricka Wolf ist in Gurs beerdigt.