Sigmund
WEIL

1863 - 1945 I
Beyerlestraße 10
Stolperstein verlegt am 19.05.2024
Sigmund WEIL Beyerlestraße 10

Nahm sich nach Verfolgung das Leben

Sigmund Weil wurde am 2. März 1863 im ostwürttembergischen Ellwangen geboren. Eine Woche später wurde er katholisch getauft. Seine Eltern waren Leopold Weil (1832-1913) und Hanna, geb. Neuburger (1839-1915). Das Ehepaar hatte acht Kinder, von denen drei im Holocaust ermordet wurden.

Sein Vater Leopold Weil war ein erfolgreicher Zeitungsmacher und Gründer der „Jagstzeitung“ in Ellwangen. Zwei seiner Söhne, Albert und Sigmund Weil, leiteten von 1896 bis 1903 diese Zeitung. Nach der Übernahme der „Tübinger Chronik“ und Übersiedlung von Ellwangen nach Tübingen 1903 verkauften die beiden Brüder die „Jagstzeitung“ und investierten in Tübingen in neue Satz- und Druckmaschinen und bauten ein neues Verlagsgebäude in der Uhlandstraße 5.

Im Tübinger Adressbuch von 1908 wird Sigmund Weil als „Buchdruckereibesitzer“ bezeichnet.

1914 verließ Sigmund Weil den Verlag. Wegen zunehmender antisemitischer Hetze in Tübingen verkaufte sein Bruder Albert 1930 die „Tübinger Chronik“ an den Ulmer Verleger Karl Höhn und ging 1931 mit seiner Familie nach Baden (Schweiz) ins Exil; er starb 1946. Die Nazis übernahmen nach 1933 die Tübinger Chronik und führten sie unter dem Namen „Schwäbisches Tagblatt“ weiter.

Mit dem Ausscheiden aus dem Zeitungsverlag 1914 war Sigmund Weil nun „Privatier“.
Am 22. Februar 1914 heiratete er in der katholischen St. Matthäus Kirche in Kopenhagen Hedwig Clara Karoline Höland (geb. am 9.10.1885). Seine Frau stammte aus Deutschland. Warum er in Kopenhagen heiratete, ist nicht bekannt.

Obwohl Dänemark im Ersten Weltkrieg neutral war, kehrte Sigmund Weil bei Ausbruch des Krieges nach Deutschland zurück und nahm seinen Wohnsitz in Erfurt.

Am 22. April 1927 kam Sigmund Weil nach Konstanz und mietete mit seiner späteren zweiten Frau, Emma Pauline Schmidt (1880-1958), in der Friedrichstraße 10 ein Einfamilienhaus. Am 23. Mai 1927 erfolgte die Heirat in Donaueschingen; seine Frau stammte aus Ludwigsburg und war Christin (Methodistin). Ob Sigmund bei seiner zweiten Heirat Witwer war oder geschieden, konnte nicht ermittelt werden. Das Ehepaar hatte keine Kinder.

Warum er ein Jahr später nach Radolfzell umzog und im Juli 1930 wieder nach Konstanz zurückkam, ist ungeklärt. Im Oktober 1934 zog er in den Dietrichweg 10. Der Dietrichweg wurde 1936 in Beyerlestraße umbenannt.

Im Konstanzer Adressbuch von 1935 ist der Beruf von Sigmund Weil als Kaufmann angegeben.
Nach der Machtergreifung der Nazis musste er im August 1940 in ein sogenanntes Judenhaus in der Bodanstraße 25 umziehen. Judenhäuser waren im Nazi-Behördendeutsch Häuser, die Juden gehörten und in denen nur Juden wohnen durften.

Da Sigmund Weil in einer sogenannten Mischehe lebte, wurde er im Oktober 1940 nicht nach Gurs deportiert, wo viele Konstanzer Juden den Tod fanden. Im September 1941 war er im Jüdischen Gemeindehaus in der Sigismundstraße 41 gemeldet. Wegen der bevorstehenden Arisierung des Jüdischen Gemeindehauses, die im Juni 1943 erfolgte, musste Sigmund Weil im Februar 1943 mit seiner Frau in eine kleine städtische Wohnung in der Inselgasse 30, dem ehemaligen Militärlazarett, umziehen.

Die Verfolgung der Juden unter den Nazis haben Sigmund Weil körperlich und seelisch stark zugesetzt. Anfang der 1940er Jahre, er war mittlerweile schon 77 Jahre alt, wurde er schwer herzkrank. Ob er medizinisch versorgt wurde, ist fraglich. Im Konstanzer Adressbuch von 1943 wurde er nicht mehr erwähnt, wohl aber seine Frau, obwohl sie den jüdischen Namen Weil hatte.

Am 1. Februar 1945, im Alter von 82 Jahren, nahm sich Sigmund Weil das Leben, indem er sich mit Leuchtgas in der eigenen Wohnung vergiftete. Er wurde auf dem jüdischen Friedhof Konstanz bestattet.

Grabstein für Sigmund WEIL auf dem jüdischen Friedhof Konstanz
Grabstein für Sigmund WEIL auf dem
jüdischen Friedhof Konstanz
Bild: Uwe Brügmann, 2024
Recherche: Uwe Brügmann
Patenschaft: Annette Flowe

Quellen & Literatur:

ancestry.com
Stadtarchiv Konstanz


Literatur:
Jürgen Klöckler, Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus. Ostfildern: Thorbecke Verlag, 2012
Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden. Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Stuttgart: Theiss, 1995 (Beiträge zur Tübinger Geschichte, Band 8)
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