Josef
GEIGER

1877 - 1940 I
Schilfweg 19 (jetzt ca. Rheingutstraße 34)
Stolperstein verlegt am 27.06.2014
Josef GEIGER Schilfweg 19 (jetzt ca. Rheingutstraße 34)

Aufgrund seiner Homosexualität mit 62 Jahren vergast

Josef Geiger wurde am 10. November 1877 in Frickingen, einem kleinen Dorf bei Überlingen am Bodensee, geboren. Dort wuchs er bei seinen Eltern Isidor und Kreszentia, zusammen mit drei Brüdern und einer Schwester, auf. Er war katholisch und von Beruf Schneidermeister.

Im Jahre 1912 wurde er zum ersten Mal wegen „widernatürlicher Unzucht“ zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt und nach Verbüßung der Strafe erneut im Jahre 1916 zu 6 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust. Diese Strafe hatte er am 19. Dezember 1926 vollständig verbüßt.

Ab dem 2. Dezember 1927 lebte er in Konstanz. Bereits am 15. Februar 1929 wurde er erneut zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt und zog nach Haftende 1931 an den Bodan­platz 7.

Bereits im Jahre 1932 wurde er erneut zweimal verurteilt. Die Strafen waren am 20. März 1933 verbüßt, also ca. zwei Monate nach der Macht­ergreifung der National­sozialisten.

Auf Grund seiner Homosexualität („Paragraph 175„) hatte Josef Geiger bis dahin bereits über 12 Jahre hinter Gittern verbracht. Das letzte Jahr in Freiheit wohnte er in Konstanz im Schilfweg 19, in einem Bretter­häuschen inmitten des Rheinguts, damals ein Baracken­gelände und sogenanntes Dirnenviertel.

Am 2. Dezember 1936 wurde er wieder zu 1 Jahr und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Das Urteils­schreiben endet mit dem Satz: „nach Verbüßung der Strafe Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt.“ Das war de facto sein Todesurteil.
 
Er wurde am 23. Dezember 1936 von Konstanz aus ins Zuchthaus Bruchsal eingeliefert.
 
Als er am 2. März 1938 die Haft hinter sich hatte, wurde er sofort in die Heil- und Pflegeanstalt Illenau (bei Offenburg) überführt und wenige Monate später, am 12. August 1938, in die Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz.
 
Ende 1939 geriet Josef Geiger durch die Versendung der Meldebögen in die nun beginnende Mordaktion T‑4. Er wurde als „krimineller Geisteskranker“ eingestuft.
 
In einem Schreiben vom 28. Juli 1941 von der „Pflegeanstalt Grafeneck“ an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Konstanz steht: „Geiger ist am 04. Juli 1940 an Gesichtsrose mit anschließender Sepsis verstorben.“ Sowohl Todesdatum und Todesursache sind frei erfunden. Dies geschah, um Angehörige oder Kostenträger zu täuschen und Nachforschungen zu erschweren.
 
Bereits drei Wochen vor diesem fiktiven Todesdatum wurde Josef Geiger am 7. Mai 1940 mit dem ersten T4-Transport von der Konstanzer Anstalt aus zuerst in die Zwischenanstalt Zwiefalten gebracht und von dort aus am 12. Juni 1940 in die Mordanstalt Grafeneck. Am selben Tag wurde er, im Alter von 62 Jahren, vergast und sein Leichnam eingeäschert.

Recherche: William Schaefer, Roland Didra
Patenschaft: Gianluca Quintini

Quellen & Literatur:

Bade, Sabine / Didra, Roland: Es konnte alle treffen - Gedenkbuch für die Konstanzer Opfer von NS-Zwangssterilisation und „Euthanasie“-Verbrechen 1934–1945, Konstanz 2024 (hier verfügbar);
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg B 822/3 Nr. 71;
Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg A 42/1 Nr. 81;
Stadtarchiv Konstanz: Einwohnermeldekarten vor 1945
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