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Stolpersteine Konstanz

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Otto Siegfried LEIB  1909 - 1988

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1909: Geb. Kreuzlingen / TG

1933: Flucht Schweiz, Österreich, Tschechoslowakei, Palästina

1937: USA

 

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Marktstätte 19
heute (2021)

Standort auf Karte

 

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Stolperstein für Otto LEIB
verlegt 21.10.2021

 

Vater: Ivan LEIB;   Schwestern: Hanna LEIB, Ida LEIB, Mutter: Hedwig LEIB

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Otto S. LEIB, ca. 1985
Quelle: privat

 

Otto Siegfried Leib, wie sein voller Name lautet, wurde am 5. August 1909 in Kreuzlingen, Kanton Thurgau, in der Schweiz geboren. Seine Mutter war Hedwig, geborene Bloch, und stammte aus Zürich.

Otto hatte zwei Schwestern, Ida, geb. 1912, und Hanna, geb. 1916. Beide Schwestern emigrierten in den 30er Jahren in die USA. Sein Vater Ivan Leib hatte ein Textilgeschäft auf der Marktstätte in Konstanz, einem der zentralen Plätze der Stadt. In der Schule galt Otto Leib als Träumer. Sein Vater beschrieb ihn als „Freidenker ohne religiöses Bedürfnis“. Nach der mittleren Reife 1926 an der Zeppelin-Oberrealschule (heute Alexander-von-Humboldt-Gymnasium) in Konstanz machte er anschließend bis 1929 in Nürnberg, Bochum und Augsburg eine kaufmännische Lehre.

 

Otto Leib war  begeisterter Wassersportler. Zeitweise war er Schatzmeister der Schwimmabteilung des Konstanzer Turnvereins. 1929 bestand er die Prüfung als Rettungsschwimmer. Vergeblich versuchte er, die Unterwanderung des Konstanzer Turnvereins durch Nazis zu verhindern. Seine demokratische Gesinnung wird auch dadurch dokumentiert, dass er Mitglied in der Jugendabteilung des sozialdemokratisch orientierten Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold war. Allerdings war Otto Leib nie Mitglied der SPD. Nach dem Krieg beschrieb er seine politische Einstellung wie folgt: „Ich machte nie ein Hehl aus meiner vollen Anhänglichkeit an die Weimarer Verfassung und meine Ergebung an die Deutsche Republik“.

 

Am 1. Dezember 1932 verließ Otto Leib Konstanz, um in Augsburg eine Stelle anzutreten. Auf Grund einer Warnung von Freunden, dass er verhaftet werden sollte, kehrte er nicht nach Konstanz zurück, sondern emigrierte am 1. Juni 1933 mit seinem gültigen Pass über Romanshorn in die Schweiz ein. Er fand zunächst Unterschlupf bei seiner Großmutter Frieda Bloch-Esslinger in Zürich und später im sozialdemokratischen Vereinsheim „Limmathaus“. Von Zürich ging seine Flucht weiter über Österreich und Prag nach Graslitz im Sudetenland, wo er längere Zeit bei seiner Tante Irma Leffmann-Leib wohnte und von einer jüdischen Flüchtlingshilfe betreut wurde.

Von Graslitz aus schlug sich Otto Leib nach Genua durch, wo er sich nach Palästina einschiffte. Am 5. September kam er in Haifa an und erhielt ein drei Monate gültiges Touristenvisum. 1935 kam seine Verlobte Irma Rothschild, die 1933 in die USA emigriert war, nach Haifa. Am 2. April 1935 heirateten die beiden.

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Irma LEIB, geb. Rothschild, ca. 1960

Bildquelle: privat

Zunächst arbeitete Otto Leib am Bau, in der Landwirtschaft und als Portier in einem Hotel. Eine Malariaerkrankung machte Otto Leib sehr zu schaffen. Auf Empfehlung von Dr. Karl Broßmer, dem Vorsitzenden der badischen DLRG, erhielt er dann in Haifa eine Stelle als Bademeister. Seine Frau arbeitete als Kassiererin im selben Schwimmbad wie ihr Mann und als Haushaltshilfe. Als westlich assimilierter Jude sah er jedoch im damals jüdisch-orthodox geprägten Palästina keine Zukunft für sich und seine Frau. Auch das angespannte Verhältnis zwischen Juden und Arabern ließ ihn an einer friedlichen Zukunft in Palästina zweifeln.

 

1937 gelangen Otto und Irma Leib mit Hilfe seines Schwagers Kurt Spiegel die Einreise in die USA. Auf Grund seiner Malaria-Vorerkrankung wurde Otto Leib während des Zweiten Weltkrieges nicht eingezogen; er machte aber Dienst als ziviler Luftschutzbeamter.

 

 

Zunächst arbeitete Otto Leib am Bau, in der Land­wirtschaft und als Portier in einem Hotel. Eine Malariaerkrankung machte Otto Leib sehr zu schaffen. Auf Empfehlung von Dr. Karl Broßmer, dem Vorsitzenden der badischen DLRG, erhielt er dann in Haifa eine Stelle als Bademeister. Seine Frau arbeitete als Kassiererin im selben Schwimmbad wie ihr Mann und als Haushaltshilfe. Als westlich assimilierter Jude sah er jedoch im damals jüdisch-orthodox geprägten Palästina keine Zukunft für sich und seine Frau. Auch das angespannte Verhältnis zwischen Juden und Arabern ließ ihn an einer friedlichen Zukunft in Palästina zweifeln.

 

1937 gelangen Otto und Irma Leib mit Hilfe seines Schwagers Kurt Spiegel die Einreise in die USA. Auf Grund seiner Malaria-Vorerkrankung wurde Otto Leib während des Zweiten Weltkrieges nicht eingezogen; er machte aber Dienst als ziviler Luftschutzbeamter.

 

Im Januar 1944 wurden Otto Leib, seine Frau Irma und ihr 1936 geborener Sohn Daniel amerikanische Staats bürger.

 

1948 kam die Tochter Helen-Francis zur Welt. Das Leben in New York war hart. Irma Leib arbeitete als Montiererin bei einem Bühnenschmuck-Hersteller. Otto Leib arbeitete als Hilfsarbeiter in einer Zahnradfabrik und als Packer in einer Papierfabrik. Daneben machte er eine Ausbildung als Bauschweißer und war dann bei der Gewerkschaft der Eisenarbeiter (Iron Workers Union) angestellt. In New York wohnte das Ehepaar Leib jahrelang in sehr beengten Verhältnissen, weil es die Wohnung mit den Eltern seiner Frau teilen musste. 1955 kaufte das Ehepaar Leib in New Milford im Bundesstaat New Jersey ein Haus. 1974 gingen Otto und Irma Leib in den Ruhestand.

 

Nach dem Krieg erstritt Otto Leib mit Hilfe des Konstanzer Rechtsanwalts Dr. Hans Jakob Venedey eine Entschädigung für erlittenen Verdienstausfall und erzwungene Emigration.

 

Otto Leib war mit Herz und Seele Amerikaner, er verleugnete jedoch nie seine Wurzeln: Er fühlte sich als jüdischer Amerikaner deutscher und schweizerischer Herkunft, wie er selbst einmal bemerkte. Von 1956 bis 1991 engagierte er sich als freiwilliger Hilfspolizist in seinem Wohnort. Danach war er bis Ende 1996 freiwilliger Helfer im Bezirkskrankenhaus.

 

Mit seiner alten Heimat Konstanz blieb er stets eng verbunden. Nach dem Krieg war er elfmal zu Besuch in Konstanz. Er trat in öffentlichen Lesungen auf und unterhielt Kontakte zur lokalen Presse, zur Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), seiner einstigen Schule, dem Humboldt-Gymnasium, und dem lokalgeschichtlichen Delphin-Kreis, für den er im „Delphinbuch“ eine Reihe von Artikeln veröffentlichte.

 

Irma Leib starb am 16. Juli 1988, Otto Siegfried Leib am 31. Mai 2002 in Bergen County, New Milford, im Bundesstaat New Jersey. Beide wurden auf dem Jüdischen Friedhof Washington Township Beth-El Cemetery, New Jersey, begraben. Der Grabstein von Otto Leib zeigt keine jüdischen Symbole, sondern das Sternenbanner, die amerikanische Flagge.

 

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Grabstein von Otto S. LEIB, Beth-El Cemetery, New Jersey,
mit dem Sternenbanner der USA

Bildquelle: privat

 

 

Recherche: Uwe Brügmann

Patenschaft: Elke M. Anders / Hans J.  Anders, Tägerwilen

Quellen:

Stadtarchiv Konstanz

Staatsarchiv Freiburg F 196/1 Nr. 10011

Archiv für Zeitgeschichte an der ETH Zürich

Persönliche Mitteilungen von Daniel Leib, dem Sohn von Otto S. Leib

 

Literatur:

Besuche in der alten Heimat. Erfahrungen eines jüdischen Emigranten. DelphinBuch Bd. 4, 1995, S. 88-93

Zivilcourage in dunkler Zeit. DelphinBuch Bd. 5, 1997, S. 126-132

Erich Bloch, Geschichte der Juden von Konstanz im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Dokumentation. Konstanz: Rosgarten Verlag, 1971

Lebenszeichen. Juden aus Württemberg nach 1933. Hrsg. von Walter Strauss. Gerlingen: Bleicher Verlag, 1982. Hier der Lebensbericht von Irma Leib, S. 163, 164