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Stolpersteine Konstanz

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Ansprache zur Verlegung für Paulina HOFMAIER

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Ansprache Michael Teichmann

zur Verlegung eines 'Stolpersteins' für Paulina Hofmaier

am Montag, dem 9. September 2013 um 11.00 Uhr

vor dem Haus Emmishofer Straße 8 in Konstanz

Wir verlegen einen Gedenkstein zur mahnenden Erinnerung an eine Vergangenheit, die in Deutsch­land durch Ideologie und Diktatur des National­sozialismus vielen Menschen Leid, Verfolgung und Tod gebracht hat.

Paulina Hofmaier, derer wir jetzt gedenken, war eine der vielen Leidtragenden.

Paulina Hofmaier wird am 18. Juni 1890 in Beuren geboren. Sie gehört seit 1932 als 'Bibelforscherin' – wie Zeugen Jehovas damals genannt wurden – der 'Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher' in Konstanz  an. Die bestehende Gemeinde wurde 1921 hier in Konstanz gegründet.

Am 15. Mai 1933 erfolgt das Verbot der Zeugen Jehovas durch das Hitlerregime. Die Glaubens­gemeinschaft und mit ihr Paulina Hofmaier lässt sich jedoch nicht daran hindern, nun im Untergrund über das „Königreich Gottes“ zu sprechen.

Besondere Aktionen werden vorbereitet. Vom 7. - 9. September 1934 werden die Konstanzer Zeugen zu einem Internationalen Kongress in Basel eingeladen. Dort werden Absprachen für „illegale Treffen“ und die Fortsetzung der Missionierung in Deutschland getroffen sowie eine Protestnote gegen Hitler beschlossen.

 

Die Konstanzer Zeugen treffen sich am 7. Oktober vorsichtshalber in der schweizerischen Nachbarstadt Kreuzlingen. Noch am selben Tag geht aus Deutschland und der ganzen Welt eine Flut von Protest-Telegrammen mit gleich lautendem Text bei „ADOLF HITLER, REICHSKANZLER BERLIN“ ein, in denen es u. a. heißt:

“HÖREN SIE AUF, JEHOVAS ZEUGEN WEITER ZU VERFOLGEN, SONST WIRD GOTT SIE UND IHRE NATIONALE PARTEI VERNICHTEN“.

 

Die Zeugen Jehovas  fahren gemeinsam mit Fahr­rädern in den Linzgau sowie in den Hegau, um Bibeln und ältere Druckschriften, die vom Verbot zunächst nicht betroffen sind, zu vertreiben. Heimlich über die Grenze gebracht werden „Wachtturm“ und „Das Goldene Zeitalter“ sowie eine größere Anzahl Bücher und Broschüren.

Berta Maurer – für sie liegt ein Stolperstein in Konstanz in der Löhrystr. 4 – hat darin eine leitende Funktion.

Erste Probleme mit dem neuen Regime bekommt Paulina Hofmaier am 3. Februar 1936, vermutlich als sie sich weigert, einer der NSDAP nahestehenden Organisation beizutreten. Sie wird deshalb sieben Tage in Konstanzer Schutzhaft genommen.

Die Organisation der Zeugen Jehovas verfasst eine weitere Resolution gegen das Nazi-Regime, die sie im Dezember 1936 in einer Flugblatt-Aktion in ganz Deutschland umsetzt. Hitler reagiert darauf sehr gewalttätig, Zitat: „Ich werde diese Brut schon ausrotten!“. Er veranlasst eine Verhaftungswelle, die auch an die 25 Konstanzer Zeugen erfasst.

Am 16. Dezember wird Paulina Hofmaier verhaftet und am 21. Mai 1937 vom Sondergericht Mannheim zu sechs Monaten Gefängnis-Strafe in Konstanz und Gotteszell verurteilt, auf die die drei Monate vorher verhängte Schutzhaft angerechnet wird. Ihr Vergehen: Verteilung illegaler Druckschriften von Anfang 1935 bis Ende 1936, u. a. der Zeitschrift „Der Wachturm“.

Das Ende ihrer Haft ist gleichbedeutend mit der Einlieferung in das provisorische Frauen-KZ Moringen (Harz), wo Zeuginnen Jehovas, stigmati­siert mit dem Lila Winkel, die größte Häftlingsgruppe bilden. Von dort wird sie 1938 in das Frauen-KZ Lichtenau bei Torgau (Sachsen) überstellt. Psychischer Druck soll ihre Überzeugung ändern. Doch Paulina Hofmaier bleibt standhaft. Sie gehorcht Gott mehr als Menschen. Sie überlebte die Zeit von 1939 bis zu ihrer Befreiung 1945 im Frauen-KZ Ravensbrück.

 

1945 zurückgekehrt, gehört Paulina Hofmaier zu den ersten Neu-Gründern der zwölf Jahre lang verbotenen Versammlung Jehovas Zeugen in Konstanz. Ein Versammlungslokal wird gebaut, der sog. Königreichsaal in der Goebelbeckerstraße. Dort  treffen sich Jehovas Zeugen bis auf den heutigen Tag, um die Bibel zu studieren.

 

Paulina Hofmaier leidet und lebt für ihren Glauben. Sie ist Vorbild in Zivilcourage und persönlicher Standhaftigkeit. Sie stirbt von ihrer Gemeinde geachtet 1986 im hohen Alter von 96 Jahren.  

 

Wir möchten und werden sie nicht vergessen!